Soeben erschienen
Roman | Ein
ironisch-wehmütiger Roman über die Liebe, den
Kalten Krieg und das Wallfahren.
Gerhard Dick
Die Nudistenwallfahrt
Roman |
252 Seiten, 20,3 x 14 cm, Broschur
Euro 19,80/sfr 36,00
ISBN 978-3-85481-045-2
Verlag Liber Libri Wien
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Über das Buch |
Die „Nudistenwallfahrt" ist ein ironisch-wehmütiger
Roman über die Liebe in den Zeiten des Kalten Krieges.
Ein langer Weg führt aus einer religiös-idyllischen,
durchaus nicht unversehrten Jugend in die studentischen Wirren
der sechziger Jahre und schließlich nach England zu
einem väterlichen Malerfreund, der Seeschlachten malt,
eine wunderschöne Tochter hat und eine barocke Künstlerkolonie
in Oberbayern gründet. Zusammen mit dem Erzähler,
der sein erstes Geld einst als Leihpilger verdiente, nehmen
die Protagonisten im Jahr von Tschernobyl an der in franziskanischer
Nacktheit durchgeführten Wallfahrt nach Maria Beinberg
teil. Dass diese Veranstaltung vom 18. August 1986 das Ende
der atomaren Nachrüstung, den Fall der Berliner Mauer
und damit das Ende des Kalten Krieges verursacht hat, lässt
sich nicht beweisen. Dass sie für viele der Beteiligten
als meditativer Ausweg erlebt wurde, der schließlich
gewaltige persönliche Katastrophen verursachte, ist
unbestritten.
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Rezensionen |
Allgäu Kultur
Gänzlich entblößte Pilger 1986 auf einer Wallfahrt
im Oberbayrischen: Diese etwas skurril anmutende Szene steht
im Mittelpunkt des ersten Romans von Gerhard Dick, Lehrer für
Deutsch und Englisch am Gymnasium Immenstadt. „Die Nudistenwallfahrt" hat
der 58-jährige Autor folgerichtig sein Werk betitelt.
Dennoch geht fehl, wer eine despektierliche Auseinandersetzung
mit der kirchlichen Sexualmoral erwartet. Dick lässt in
der Nacktwanderung, angesiedelt in der Tradition franziskanischen
Purismus und einen Zustand höchster Verletzlichkeit symbolisierend,
die Lebensfäden der Romanfiguren vor dem Hintergrund der
Abrüstungsdemonstrationen und der Katastrophe von Tschernobyl
zusammenlaufen. Die Wallfahrt wird zum Wendepunkt.
Gerhard Dick tritt seit einigen Jahren mit Lyrik und Kurzgeschichten
bei Lesungen im Raum Bodensee/Allgäu auf. In seinem ersten
großen Werk verarbeitet er politische und persönliche
Erfahrungen aus den 1980er Jahren, die er lange Zeit mit sich
herumtrug, bis sich ihm zur Jahrtausendwende die Gelegenheit
bot, in einem ehemaligen Kloster in der Schweiz seine Erinnerungen
zu ordnen.
vk in "Allgäu Kultur", 06/2008 Allgäuer Anzeigenblatt
Wenn das Echo auf Lesungen im Immenstädter Literaturhaus
immer so gewaltig ist wie bei der Premiere, sollte sich die
Stadt um einen Satz Reservestühle bemühen. Das erste
große Werk von Gerhard Dick ... lockte über 100
Zuhörer in den Gewölbekeller, der mit 80 Sitzplätzen
schon raumfüllend bestuhlt war. Mit gehaltvollen, geschickt
ausgewählten „Lesehäppchen" aus seinem
Erstlingsroman „Die Nudistenwallfahrt" verstand
es der 58-jährige Autor, den erwartungsfrohen Literaturfreunden
Appetit auf mehr zu machen.
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Über den Autor

Gerhard Dick |
Gerhard Dick verbrachte seine Kindheit in der Hallertau
und im Berchtesgadener Land. Nach dem Studium der Germanistik
und Anglistik in Freiburg im Breisgau wurde er Gymnasiallehrer
in England und Bayern, daneben langjährige Tätigkeit
als Schulbuchautor. Literarische Aktivitäten im Allgäu
und im Bodenseeraum, auch als Dialekt-Lyriker. Der Autor
ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Immenstadt
im Allgäu.
Leseprobe
Der Vorschlag meiner Großmutter, dass ich Berufswallfahrer
werden sollte, war weniger das Ergebnis einer überlegten
Auseinandersetzung mit meiner Zukunft als der deutliche Ausdruck
eines zunehmenden Gefühls panischer Angst. Mit aller
Kraft wehrte sie sich gegen die Vorstellung, dass ich bald
in eine andere Stadt ziehen und gar nicht mehr die Absicht
hegen könnte, je wieder nach Ilmhofen zurückzukehren.
Zu oft hatte sie von der Bäckersfrau Moosburger deren
Leid zu hören bekommen, das darin bestand, dass ihr
Sohn Adolf sich mit seiner Familie in Ingolstadt niedergelassen
hatte und die gegenseitigen Besuche auf höchstens zwei
Wochenenden pro Monat beschränkt waren.
Gerade in unserer Zeit, so meinte meine Großmutter beschwörend,
da der wirtschaftliche Aufschwung nur wenig Raum lasse für die aufwendigeren
Formen der Religionsausübung, seien viele Menschen darauf angewiesen,
dass andere für sie die Pilgerfahrten unternähmen, zu denen sie selber
nicht mehr imstande seien. Allein aus ihrer eigenen Verwandtschaft kamen ihr
sogleich ein ganzes Dutzend von Menschen in den Sinn, die meine Dienste in
Anspruch nehmen und gerecht entlohnen würden.
Die erste bezahlte Wallfahrt, die ich zusammen mit Gregor unternahm, galt dem ältesten
Bruder meiner Großmutter, der in der Nähe des Nussbaumer Sees nicht
nur einen Bauernhof bewirtschaftete, sondern inzwischen auch eine Fischzucht
betrieb. Mit ihm habe es, wie meine Großmutter stets geheimnisvoll andeutete,
doch eine ganz besondere Bewandtnis. Ihm gegenüber müsste ich sogar
so etwas wie eine moralische Verpflichtung empfinden, wenn es darum ginge,
sein Leid zu lindern.
Dem Anderl waren beim Dengeln seiner Sense winzige Eisenspäne ins Auge
gesprungen, die auch der Arzt nicht hatte entfernen können und die ihn
fürchterlich quälten. Als Ziel unserer Pilgerfahrt wurde deshalb
Mariabrunn gewählt, wo die bayerische Prinzessin und spätere preußische
Königin Elise einst von einer schweren Augenkrankheit geheilt worden war.
Wir machten uns folgsam auf den Weg, der einen ganzen Tag beanspruchte, beteten
vor der Kopie des Gnadenbildes von St. Annunziata zu Florenz und füllten
an der wundertätigen Quelle mehrere Flaschen mit Wasser. Nach einer Rast
in dem weit in den Wald hineinreichenden Biergarten schauten wir von dem Hügel
hinter der Kapelle auf das still und riesig in der Abenddämmerung ruhende
München. Wir übernachteten in der Nähe von Hohenkammer bei einer
Kusine meines Großvaters und marschierten am nächsten Tag nach Hause,
wobei wir die letzten Kilometer auf der Ladefläche eines Lastwagens sitzend
zurücklegten, der sich auf der Fahrt zur Ziegelei in Heissmaning befand.
Die zweite Fahrt, auf die wir uns als Leihpilger machten, führte bis nach
Klosterlechfeld. Die Frau des Donhauser Wast in Tandern war dreißig Jahre
alt, seit neun Jahren verheiratet und dennoch kinderlos geblieben. Diesen unglückseligen
Sachverhalt hatte sie beim Patroziniumsfest in Scheyern so lautstark beklagt,
dass meine Großmutter nun glaubte, eine Veränderung ihres Zustands
in Aussicht stellen zu müssen …
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